Aufholbedarf in Deutschland

Wohneigentumsquote steigt nur im Osten Deutschlands

In größeren Städten spiegelt sich die geringe Quote am deutlichsten – wegen der Landflucht in den vergangenen Jahren haben sich Angebot und Nachfrage an Wohneigentum verschoben. | Foto: Thessa Wolf
In größeren Städten spiegelt sich die geringe Quote am deutlichsten – wegen der Landflucht in den vergangenen Jahren haben sich Angebot und Nachfrage an Wohneigentum verschoben. | Foto: Thessa Wolf

Die Deutschen haben sich in Europa einen guten Platz gesichert: wirtschaftlich und gesellschaftlich. In diesem Punkt jedoch hinken sie hinterher – beim Wohneigentum. Deutschland habe es nicht geschafft, sich in Richtung „Eigentümer- Republik" zu entwickeln, so das Fazit einer Studie. In der Sonderauswertung der aktuellen Einkommensund Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes durch das Immobilienforschungsinstitut empirica in Zu sammenarbeit mit LBS Research war die Wohneigentumsquote von 43 Prozent errechnet worden. Zum Vergleich: Mit einem Anteil von über zwei Dritteln lebt die Mehrheit der Europäer in einem Eigenheim beziehungsweise in einer Eigentumswohnung. Zur Miete wohnen knapp 30 Prozent. Angeführt werden die europäischen Top-20 übrigens von Rumänien, der Slowakei und Ungarn mit je über 90 Prozent Wohneigentum. Der Hintergrund: In allen drei Ländern war mit der gesell- und wirtschaftlichen Wende der Großteil aller Wohnungen privatisiert worden. Anders in Deutschland. Hier herrscht Aufholbedarf, vor allem im Osten. Immerhin stieg die Wohneigentumsquote in Ostdeutschland seit 2003 von 34,8 auf 36,4 Prozent. Im früheren Bundesgebiet blieb der Anteil der Selbstnutzer im gleichen Zeitraum nahezu gleich und lag bei reichlich 46 Prozent. Dabei zeigt sich, so die Forscher, dass hinter dem Stillstand bisher kaum beachtete Alters-Effekte stehen: So wird die – ohnehin relativ niedrige – Wohneigentumsquote mehr und mehr getragen von inzwischen älteren Haushalten; bei den jüngeren hingegen ist die Wohneigentumsbildung im Vergleich zu früheren Jahren rückläufig.

Ein Beispiel: Anfang der 90er-Jahre betrug die Wohneigentumsquote der „Alten", der über 70- Jährigen, in Westdeutschland gut 40 Prozent, die Wohneigentumsquote der für die Eigentumsbildung entscheidenden Altersklasse der 40- bis 49-Jährigen lag mit annähernd 60 Prozent deutlich darüber. Inzwischen kommen die jüngeren im Westen nur noch auf eine Quote von gut 50 Prozent. Das sei insbesondere in Zeiten günstiger Rahmenbedingungen für den Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum, insbesondere den niedrigen Zinsen und der guten Beschäftigungslage, verwunderlich. Die Forscher begründen die rückläufige Eigentumsquote bei jüngeren Haushalten mit der zurückgehenden Familienbildung und einer zunehmenden Zahl an Ein-Personen-Haushalten, der sogenannten Versingelung. Zwar bilden Familien heute mehr noch als früher Wohneigentum, doch reicht dies nicht aus, um den wachsenden Anteil der Singlehaushalte, die mehrheitlich Mieter sind, auszugleichen. Darüber hinaus wirke sich auch die seit einigen Jahren zu beobachtende „Landflucht" tendenziell negativ auf die Eigentumsquote aus. Denn in den Großstädten ist die Wohneigentumsbildung aufgrund mangelnder Angebote und höherer Preise ungleich schwerer.

Für künftige Erfolge bei der Wohneigentumsbildung komme es darauf an, so LBS Research, das Wohnungsangebot in den Schwerpunkten der Wohnungsnachfrage spürbar zu erhöhen, für Familien ebenso wie für Singles und kinderlose Paare. Der inzwischen angesprungene Neubau sei zwar auf dem „richtigen Weg", jedoch sei dies noch keine Garantie für Verbesserungen bei der Wohneigentumsquote. Denn der Wohnungsmarkt werde derzeit, bedingt durch das niedrige Zinsniveau und fehlende Anlagealternativen, dominiert von Kapitalanlegern aus dem In- und Ausland.

Knapp die Hälfte des Neubaubedarfs

Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts insgesamt 247 700 Wohnungen fertiggestellt. Das sind 2 400 Wohnungen beziehungsweise ein Prozent mehr Wohnungen als 2014. Um den Wohnraumbedarf zeitnah zu decken, müssen bis 2020 allerdings jährlich gut 494 000 Wohnungen gebaut werden, wie eine Studie von Prof. Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg im Auftrag des IVD ergeben hat. „Ein positiver Trend zeichnet sich ab, aber das Neubauvolumen reicht vorne und hinten noch nicht, um den tatsächlichen Bedarf zu decken", sagt Sun Jensch, Bundesgeschäftsführerin des IVD. Das gelte insbesondere für die deutschen Ballungszentren. Allerdings: 2015 wurden bundesweit auch rund 309 000 Wohnungen neu genehmigt. Das sind 8,4 Prozent mehr als im Vorjahr. (sz-immo)