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Michael Hösel, CEO der IK Investment Group | © STEFAN LEMANSKI

Marktverwerfungen im deutschen Immobilienmarkt

Der deutsche Immobilienmarkt befindet sich im Umbruch. Preisrückgänge, neue Chancen in ländlichen Regionen und die anhaltenden Auswirkungen der Corona-Pandemie werfen spannende Fragen auf.

Michael Hösel, CEO der IK Investment Group gibt spannende Einblicke in die aktuelle Marktentwicklung. Lesen Sie seine Einschätzung auf eine mögliche weitere Jahresentwicklung und erfahren Sie, wie sich das "Wärmegesetz" der Bundesregierung auf den Immobilienmarkt auswirken könnte. Außerdem gibt der Experte wertvolle Tipps für zukünftige Immobilieninvestoren.

Herr Hösel, wer hoch fliegt, kann bekanntlich auch tief fallen. Erleben wir das derzeit etwa auch am deutschen Immobilienmarkt, der je nach Region mit Preisabschlägen von bis zu 20 Prozent in das Jahr 2023 gestartet ist?

Stellenweise sind stärkere Preiskorrekturen zu beobachten, wobei Objekte in A- und B-Lagen meist unverändert hoch gehandelt werden. Es ist immer eine Frage des Zustandes, der Lage und der generellen Nachfrage. Wir gehen davon aus, dass es weiterhin Preisabschläge geben wird, vor allem, wenn sich die Inflation unverändert zwischen 7-10% bewegt und die EZB fortlaufend die Leitzinsen anpasst. Doch wird sich das vorerst nur in weniger gefragten Lagen bemerkbar machen. Top Standorte und gut situierte sowie erhaltene Objekte werden wohl auch weiterhin hoch im Preis sein.

Wie sieht Ihre Prognose für den weiteren Jahresverlauf und das Folgejahr aus? Werden die Preise in der breiten Front fallen, vielleicht sogar bald wieder Boden finden oder gar steigen?

Solange die Inflation beständig hoch ist und die EZB die Leitzinsen anhebt, ist auch in der Preisentwicklung des deutschen Immobilienmarktes kein Stillstand in Sicht. Wann und wie ein Ende oder zumindest ein Plateau erreicht wird, wissen wir nicht. Dazu fehlt uns die Glaskugel. Doch eines steht fest: Während sich ländlichere Lagen weiterhin wachsender Begeisterung von neuen Kaufinteressenten erfreuen dürfen, wird dies mittelfristig wohl zu ansteigenden Kaufpreisen führen. Innerstädtische Wohnlagen und Objekte sollten dabei aber weiterhin hoch im Kurs bleiben, da die Nachfrage hier nicht wirklich abfällt, den der Wohnraum stark begrenzt ist.

Es gibt ja nicht den einen deutschen Immobilienmarkt. Die Marktentwicklung in den Städten – hier noch zu unterscheiden zwischen A-, B- und C-Lagen – ist beispielsweise eine ganz andere als im ländlichen Raum. Wo sehen Sie künftig das größte Potenzial?

Der Immobilienmarkt kann grundsätzlich immer in verschiedene Segmente unterteilt werden. A-, B- und C-Lagen sind das eine. Renovierungs- oder sanierungsbedürftige Objekte, rein gewerbliche Objekte sind wiederum das andere. Für Menschen, die eine rentable Kapitalanlage in Form einer vermietbaren Immobilie suchen, müssen es nicht immer die Objekte in Toplagen und Bestzuständen sein. Diese sind häufig hochpreisig im Ankauf und daher oftmals schwächer in der Rendite. Wer langfristig in Immobilien investieren möchte, der sollte versuchen etwas über den Teller- bzw. den gut bekannten Städterand hinaus zu schauen, um die potenziellen Objekte zu erkennen, die sich wirklich rechnen. Diese sind meist nicht immer vor der eigenen Haustür, müssen es aber auch nicht sein.

Nochmals nachgefragt: Die Corona-Pandemie hat eine regelrechte Stadtflucht ausgelöst. Hält dieser Run aufs Land Ihrer Meinung nach an?

Ländliche Wohnlagen werden immer beliebter. In erster Linie hat dies aber damit zu tun, dass städtische Lagen einfach begrenzt im Raumangebot sind und immer mehr Menschen innerstädtisch am Puls der Zeit leben und arbeiten wollen. Die Folge: Immer mehr Menschen auf einem Fleck und steigende Miet- und Erwerbskosten von Wohnungen und Häusern, da das Angebot limitiert ist. Das zieht Viele aufs Land bzw. in Vororte zurück, da diese aktuell noch erschwinglicher sind und ein besseres bzw. annehmbareres Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten. Aus unserer Sicht wird sich dies auch in Zukunft weiterhin zeigen, jedoch wird dadurch die Vorliebe für städtisches Wohnen und Innercity-Lagen nicht weniger werden.

Was macht ganz konkret das „Heizungsgesetz“ der Bundesregierung mit dem Markt – werden ältere, unsanierte Gebäude mit Öl- und Gasheizungen bald unverkäuflich? 

Förderprogramme und die „unkomplizierten Umbaumöglichkeiten“ machen Objekte mit veralteten Energie- bzw. Heizkonzepten noch lange nicht zum Kassenschlager. Mit Sicherheit kann im Rahmen des Erwerbsprozesses über die Preisgestaltung gesprochen werden, wenn entsprechende Modernisierungsmaßnahmen erforderlich sind, doch sind genau diese Maßnahmen häufig problemlos realisierbar. Natürlich ist es immer eine Frage des Preises, aber es gibt in Deutschland immer noch viel zu viele Objekte, die mit Gas- (ca. 48% aller Wohnungen) und Ölkonzepten (ca. 25% aller Wohnungen) beheizt werden, als dass diese einfach als unverkäuflich bezeichnet werden könnten.

Welchen zentralen Ratschlag würden Sie heute jemanden geben, der ein Haus oder eine Eigentumswohnung zur Weitervermietung erwerben möchte?

Schauen Sie über die eigenen Städtegrenzen hinaus und seien Sie offen für Objekte, die nicht in unmittelbarer Nähe sind. Oftmals bieten diese bessere Rahmenbedingungen und sind rentabler. Prüfen Sie ein Objekt nach wichtigen und vordefinierten Kriterien und treffen Sie erst dann eine Kaufentscheidung, wenn ein Objekt den Erwartungen gänzlich entspricht.

Vielen Dank für die spannenden Einblicke, Herr Hösel.